>Im ächten Manne
ist ein Kind versteckt:
das will spielen.<
Nietzsche
Wie die Galgenlieder
entstanden
Bundeslied der Galgenbrüder
Galgenbruders Lied an Sophie, die
Henkersmaid
Nein
Das Gebet
Das große Lalula
Der Zwölf-Elf
Das Mondschaf
Lunovis
Der Rabe Ralf
Fisches Nachtgesang
Galgenbruders Frühlingslied
Das Hemmed
Das Problem
Die Trichter
Das Knie
Bim, Bam, Bum
Das ästhetische Wiesel
Der Schaukelstuhl auf der verlassenen
Terrasse
Die Beichte des Wurms
Himmel und Erde
Die Schildkrökröte
Der Hecht
Der Nachtschelm und das Siebenschwein
oder Eine glückliche Ehe
Die beiden Esel
Das Wasser
Wer denn?
Der Lattenzaun
Die beiden Flaschen
Der Würfel
Kronprätendenten
Philantropisch
Der Mond
Unter Zeiten
Der Traum der Magd
Das Nasobem
Anto-logie
Die Hystrix
Die Probe
Im Jahre 19000
Der Gaul
Der heroische Pudel
Das Huhn
Möwenlied
Igel und Agel
Der Werwolf
Die Fingur
Km 21
Galgenkindes Wiegenlied
Wie sich das Galgenkind die Monatsnamen merkt
Palmström
Nach Norden
Westöstlich
Zukunftssorgen
Das Warenhaus
Sprachstudien
Die Wissenschaft
Die Korfsche Uhr
Palmströms Uhr
Korfs Geruchsinn
Die Mausefalle
Europens Bücher
Korf in Berlin
Die Brille
Die Mittagszeitung
Korf erfindet eine Art von Witzen
Die unmögliche Tatsache
Die Behörde
Das Polizeipferd
Palmström lobt
Die beiden Feste
Muhme Kunkel
Exlibris
Der Papagei
Der Droschkengaul
Täuschung
Vice versa
Die wiederhergestellte Ruhe
Das Einhorn
Die Nähe
Der Salm
Tertius gaudens
Der Zwi
Der Gingganz
Der heilige Pardauz
Der Schnupfen
Klabautermann
Brief einer Klabauterfrau
Das Mondschaf
Es waren einmal acht lustige Könige; die lebten. Sie hießen aber
so und so. Wer heißt überhaupt? Man nennt ihn. Eines Tages aber sprachen
die lustigen Könige zueinander, wie Könige zueinander sprechen: >Die
Welt ist ohne Salz; laßt uns nach Salz gehen!< sagte der zweite. >Und
wenn es Pfeffer wäre< meinte der sechste. >Wer weiß das Neue?<
fragte der fünfte. >Ich!< rief der siebente. >Wie nennst du's?<
fragte der erste. >Das Unterirdische<, erwiderte der siebente, >das
Links, das Rechts, das Dazwischen, das Nächtliche, die Quadrate des Unsinnlichen
über den drei Seiten des Sinnlichen<. >Und der Weg dazu?< fragte
der achte. >Das einarmige Kreuz ohne Kopf und der Basis über dem Winkel<
sagte der siebente. >Also der Galgen!< sagte der vierte. >Esto<
sprach der dritte. Und alle wiederholten >Esto<, das heißt >Jawohl<.
Und die acht lustigen Könige rafften ihre Gewänder und ließen sich
von ihrem Narren hängen. Den Narren aber verschlang allsogleich der Geist
der Vergessenheit.--
Betrachten wir den >Galgenberg< als ein Lugaus der Phantasie
ins Rings. Im Rings befindet sich noch viel Stummes.
Die Galgenpoesie ist ein Stück Weltanschauung. Es ist die skrupellose
Freiheit des Ausgeschalteten, Entmaterialisierten, die sich in ihr ausspricht.
Man weiß, was ein mulus ist: die beneidenswerte Zwischenstufe zwischen
Schulbank und Universität. Nun wohl: ein Galgenbruder ist die beneidenswerte
Zwischenstufe zwischen Mensch und Universum. Nichts weiter. Man sieht vom
Galgen die Welt anders an und man sieht andre Dinge als Andre.
Laß die Moleküle rasen,
was sie auch zusammenknobeln!
Laß das Tüfteln, laß das Hobeln,
heilig halte die Ekstasen.
O schauerliche Lebenswirrn,
wir hängen hier am roten Zwirn!
Die Unke unkt, die Spinne spinnt,
und schiefe Scheitel kämmt der Wind.
O Greule, Graule, wüste Greule!
Du bist verflucht! so sagt die Eule.
Der Sterne Licht am Mond zerbricht.
Doch dich zerbrach's noch immer nicht.
O Greule, Greule, wüste Greule!
Hört ihr den Huf der Silbergäule?
Es schreit der Kauz: pardauz! pardauz!
da taut's, da graut's, da braut's, da blaut's!
Sophie, mein Henkersmädel,
komm, küsse mir den Schädel!
Zwar ist mein Mund
ein schwarzer Schlund -
doch du bist gut und edel!
Sophie, mein Henkersmädel,
komm, streichle mir den Schädel!
Zwar ist mein Haupt
des Haars beraubt -
doch du bist gut und edel!
Sophie, mein Henkersmädel,
komm, schau mir in den Schädel!
Die Augen zwar,
sie fraß der Aar -
doch du bist gut und edel!
Pfeift der Sturm?
Keift ein Wurm?
Heulen
Eulen
hoch vom Turm?
Nein!
Es ist des Galgenstrickes
dickes
Ende, welches ächzte,
gleich als ob
im Galopp
eine müdgehetzte Mähre
nach dem nächsten Brunnen lechzte
(der vielleicht noch ferne wäre).
Die Rehlein beten zur Nacht,
hab acht!
Halb neun!
Halb zehn!
Halb elf!
Halb zwölf!
Zwölf!
Die Rehlein beten zur Nacht,
hab acht!
Sie falten die kleinen Zehlein,
die Rehlein.
Kroklowafzi? Semememi!
Seiokrontro - prafriplo:
Bifzi, bafzi; hulalemi:
quasti basti bo...
Lalu, lalu lalu la!
Hontraruru miromente
zasku zes rü rü?
Entepente, leiolente
klekwapufzi lü?
Lalu lalu lalu la!
Simarar kos malzipempu
silzuzankunkrei(;)!
Marjomar dos: Quempu Lempu
Siri Suri Sei[]!
Lalu lalu lalu lalu la!
Der Zwölf-Elf hebt die linke Hand:
Da schlägt es Mitternacht im Land.
Es lauscht der Teich mit offnem Mund.
Ganz leise heult der Schluchtenhund.
Die Dommel reckt sich auf im Rohr.
Der Moosfrosch lugt aus seinem Moor.
Der Schneck horcht auf in seinem Haus;
desgleichen die Kartoffelmaus.
Das Irrlicht selbst macht Halt und Rast
auf einem windgebrochnen Ast.
Sophie, die Maid, hat ein Gesicht:
Das Mondschaf geht zum Hochgericht.
Die Galgenbrüder wehn im Wind.
Im fernen Dorfe schreit ein Kind.
Zwei Maulwürf küssen sich zur Stund
als Neuvermählte auf den Mund.
Hingegen tief im finstern Wald
ein Nachtmahr seine Fäuste ballt:
Dieweil ein später Wanderstrumpf
sich nicht verlief in Teich und Sumpf.
Der Rabe Ralf ruft schaurig: >Krah!
Das End ist da! Das End ist da!<
Der Zwölf-Elf senkt die linke Hand:
Und wieder schläft das ganze Land.
Das Mondschaf steht auf weiter Flur.
Es harrt und harrt der großen Schur.
Das Mondschaf.
Das Mondschaf rupft sich einen Halm
und geht dann heim auf seine Alm.
Das Mondschaf.
Das Mondschaf spricht zu sich im Traum:
>Ich bin des Weltalls dunkler Raum.<
Das Mondschaf.
Das Mondschaf liegt am Morgen tot.
Sein Leib ist weiß, die Sonn' ist rot.
Das Mondschaf.
Lunovis in planitie stat
Cultrumque magn' exspectitat.
Lunovis.
Lunovis herba rapta it
In montes, unde cucurrit.
Lunovis.
Lunovis habet somnium:
Se culmen rer' ess' omnium.
Lunovis.
Lunovis mane mortuumst.
Sol ruber atque ips' albumst.
Lunovis.
Der Rabe Ralf
will will hu hu
dem niemand half
still still du du
half sich allein
am Rabenstein
will will still still
hu hu
Die Nebelfrau
will will hu hu
nimmt's nicht genau
still still du du
sie sagt nimm nimm
's ist nicht so schlimm
will will still still
hu hu
Doch als ein Jahr
will will hu hu
vergangen war
still still du du
da lag im Rot
der Rabe tot
will will still still
du du
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~ ~ ~ ~
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~ ~
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Es lenzet auch auf unserm Spahn,
o selige Epoche!
Ein Hälmlein will zum Lichte nahn
aus einem Astwurmloche.
Es schaukelt bald im Winde hin
und schaukelt bald drin her.
Mir ist beinah, ich wäre wer,
der ich doch nicht mehr bin..
2. Vers, bessere Version:
Es strecket sich schon kecklings auf,
das wilde Galgengräslein.
Vergebens spähn nach ihm hinauf
hungrige Osterhäslein.
Kennst du das einsame Hemmed?
Flattertata, flattertata.
Der's trug, ist baß verdämmet!
Flattertata, flattertata.
Es knattert und rattert im Winde.
Windurudei, windurudei.
Es weint wie ein kleines Kinde.
Windurudei, windurudei.
Das ist das einsame
Hemmed.
Der Zwölf-Elf kam auf sein Problem
und sprach: Ich heiße unbequem.
Als hieß' ich etwa Drei-Vier
statt Sieben - Gott verzeih mir!
Und siehe da, der Zwölf-Elf nannt' sich
von jenem Tag ab Dreiundzwanzig.
Zwei Trichter wandeln durch die Nacht.
Durch ihres Rumpfs verengten Schacht
fließt weißes Mondlicht
still und heiter
auf ihren
Waldweg
u.s.
w.
Ein Knie geht einsam durch die Welt.
Es ist ein Knie, sonst nichts!
Es ist kein Baum! Es ist kein Zelt!
Es ist ein Knie, sonst nichts.
Im Kriege ward einmal ein Mann
erschossen um und um.
Das Knie allein blieb unverletzt -
als wär's ein Heiligtum.
Seitdem geht's einsam durch die Welt.
Es ist ein Knie, sonst nichts.
Es ist kein Baum, es ist kein Zelt.
Es ist ein Knie sonst nichts.
Ein Glockenton fliegt durch die Nacht,
als hätt' er Vogelflügel;
er fliegt in römischer Kirchentracht
wohl über Tal und Hügel.
Er sucht die Glockentönin BIM,
die ihm vorausgeflogen;
d.h. die Sache ist sehr schlimm,
sie hat ihn nämlich betrogen.
>O komm< so ruft er, >komm, dein BAM
erwartet dich voll Schmerzen.
Komm wieder, BIM, geliebtes Lamm,
dein BAM liebt dich von Herzen!<
Doch BIM, daß ihr's nur alle wißt,
hat sich dem BUM ergeben;
der ist zwar auch ein guter Christ,
allein das ist es eben.
Der BAM fliegt weiter durch die Nacht
wohl über Wald und Lichtung.
Doch, ach, er fliegt umsonst! Das macht,
er fliegt in falscher Richtung.
Ein Wiesel
saß auf einem Kiesel
inmitten Bachgeriesel.
Wißt ihr
weshalb?
Das Mondkalb
verriet es mir
im stillen:
Das raffinier-
te Tier
tat's um des Reimes willen.
>Ich bin ein einsamer Schaukelstuhl
und wackel im Winde, im Winde.
Auf der Terrasse, da ist es kühl,
und ich wackel im Winde, im Winde.
Und ich wackel und nackel den ganzen Tag.
Und es nackelt und rackelt die Linde.
Wer weiß, was sonst wohl noch wackeln mag
im Winde, im Winde, im Winde.<
Es lebt in einer Muschel
ein Wurm gar seltner Art;
der hat mir mit Getuschel
sein Herze offenbart.
Sein armes kleines Herze,
hei, wie das flog und schlug!
Ihr denket wohl, ich scherze?
Ach, denket nicht so klug.
Es lebt in einer Muschel
ein Wurm gar seltner Art;
der hat mir mit Getuschel
sein Herze offenbart.
Der Nachtwindhund weint wie ein Kind,
dieweil sein Fell von Regen rinnt.
Jetzt jagt er wild das Neumondweib,
das hinflieht mit gebognem Leib.
Tief unten geht, ein dunkler Punkt,
querüberfeld ein Forstadjunkt.
>Ich bin nun tausend Jahre alt
und werde täglich älter;
der Gotenkönig Theobald
erzog mich im Behälter.
Seitdem ist mancherlei geschehn,
doch weiß ich nichts davon;
zur Zeit, da läßt für Geld mich sehn
ein Kaufmann zu Heilbronn.
Ich kenne nicht des Todes Bild
und nicht des Sterbens Nöte:
Ich bin die Schild- ich bin die Schild-
Ich bin die Schild-krö-kröte.<
Ein Hecht, vom heiligen Anton
bekehrt, beschloß, samt Frau und Sohn,
am vegetarischen Gedanken
moralisch sich emporzuranken.
Er aß seit jenem nur noch dies:
Seegras, Seerose und Seegries.
Doch Gries, Gras, Rose floß, o Graus,
entsetzlich wieder hinten aus.
Der ganze Teich ward angesteckt.
Fünfhundert Fische sind verreckt.
Doch Sankt Anton, gerufen eilig,
sprach nichts als: Heilig! heilig! heilig!
Der Nachtschelm und das Siebenschwein,
die gingen eine Ehe ein,
o wehe!
Sie hatten dreizehn Kinder, und
davon war eins ein Schluchtenhund,
zwei andre waren Rehe.
Das vierte war die Rabenmaus,
das fünfte war ein Schneck samt Haus,
o Wunder!
Das sechste war ein Käuzlein,
das siebte war ein Siebenschwein
und lebte in Burgunder.
Acht war ein Gürteltier nebst Gurt,
neun starb sofort nach der Geburt,
o wehe!
Von zehn bis dreizehn ist nicht klar; -
doch wie dem auch gewesen war,
es war eine glückliche Ehe!
Ein finstrer Esel sprach einmal
zu seinem ehlichen Gemahl:
>Ich bin so dumm, du bist so dumm,
wir wollen sterben gehen, kumm!<
Doch wie es kommt so öfter eben:
Die beiden blieben fröhlich leben.
Ohne Wort, ohne Wort
rinnt das Wasser immerfort;
andernfalls, andernfalls
spräch' es doch nichts andres als:
Bier und Brot, Lieb und Treu,-
und das wäre auch nicht neu.
Dieses zeigt, dieses zeigt,
daß das Wasser besser schweigt.
>Ich gehe tausend Jahre
um einen kleinen Teich,
und jedes meiner Haare
bleibt sich im Wesen gleich.
Im Wesen wie im Guten,
das ist doch alles eins;
so mag uns Gott behuten
in dieser Welt des Scheins!<
Es war einmal ein Lattenzaun,
mit Zwischenraum, hindurchzuschaun.
Ein Architekt, der dieses sah,
stand eines Abends plötzlich da -
und nahm den Zwischraum heraus
und baute draus ein großes Haus.
Der Zaun indessen stand ganz dumm,
mit Latten ohne was herum.
Ein Anblick gräßlich und gemein.
Drum zog ihn der Senat auch ein.
Der Architekt jedoch entfloh
Nach Afri- od -Ameriko.
Zwei Flaschen stehn auf einer Bank,
die eine dick, die andre schlank.
Sie möchten gerne heiraten.
Doch wer soll ihnen beiraten?
Mit ihrem Doppel-Auge leiden
sie auf zum blauen Firmament..
Doch niemand kommt herabgerennt
und kopuliert die beiden.
Ein Würfel sprach zu sich: Ich bin
mir selbst nicht völlig zum Gewinn!
Denn meines Wesens sechste Seite,
und sei es auch Ein Auge bloß
sieht immerdar statt in die Weite,
der Erde ewig dunklen Schoß.
Als dies die Erde, drauf er ruhte,
vernommen, ward ihr schlimm zu Mute.
Du Esel, sprach sie, ich bin dunkel,
weil dein Gesäß mich just bedeckt!
Ich bin so licht wie ein Karfunkel,
sobald du dich hinweggefleckt.
Der Würfel, innerlichst beleidigt,
hat sich nicht weiter drauf verteidigt.
- >Ich bin der Graf von Reaumur
und hass' euch wie die Schande!
Dient nur dem Celsio für und für,
Ihr Apostatenbande!<
Im Winkel König Fahrenheit
hat still sein Mus gegessen.
- >Ach Gott, sie war doch schön, die Zeit,
die man nach mir gemessen!<
Ein nervöser Mensch auf einer Wiese
wäre besser ohne sie daran;
darum seh er, wie er ohne diese
(meistens mindestens) leben kann.
Kaum, daß er gelegt sich auf die Gräser,
naht der Ameis, Heuschreck, Mück' und Wurm,
naht der Tausendfuß und Ohrenbläser,
und die Hummel ruft zum Sturm.
Ein nervöser Mensch auf einer Wiese
tut drum besser, wieder aufzustehn
und dafür in andre Paradiese
(beispielshalber: weg) zu gehn.
Als Gott den lieben Mond erschuf,
gab er ihm folgenden Beruf:
Beim Zu- sowohl wie beim Abnehmen
sich deutschen Lesern zu bequemen,
ein a formierend und ein z -
daß keiner groß zu denken hätt'.
Befolgend dies ward der Trabant
ein völlig deutscher Gegenstand.
Das Perfekt und das Imperfekt
tranken Sekt.
Sie stießen aufs Futurum an
(was man wohl gelten lassen kann).
Plusquamper und Exaktfutur
blinzten nur.
Am Morgen spricht die Magd ganz wild:
Ich hab heut Nacht ein Kind gestillt -
ein Kind mit einem Käs als Kopf -
und einem Horn am Hinterschopf!
Das Horn, o denkt euch, war aus Salz
und ging zu essen, und dann -
>Halt's -
halt's Maul!< so spricht die Frau, >und geh
an deinen Dienst, Zä-zi-li-e!<
Auf seinen Nasen schreitet
einher das Nasobem,
von seinem Kind begleitet.
Es steht noch nicht im Brehm.
Es steht noch nicht im Meyer.
Und auch im Brockhaus nicht.
Es trat aus meiner Leyer
zum ersten Mal ans Licht.
Auf seinen Nasen schreitet
(wie schon gesagt) seitdem,
von seinem Kind begleitet,
einher das Nasobem.
Im Anfang lebte, wie bekannt,
als gräßter Säuger der Gig-ant.
Wobei gig eine Zahl ist, die
es nicht mehr gibt - so groß war sie!
Doch jene Größe schwand wie Rauch.
Zeit gab's genug - und Zahlen auch.
Bis eines Tags, ein winzig Ding,
der Zwölelf-ant das Reich empfing.
Wo blieb sein Reich? Wo blieb er selb? -
Sein Bein wird im Museum gelb.
Zwar gab die gütige Natur
den Elef-anten uns dafur.
Doch ach, der Pulverpavian,
der Mensch voll Gier nach seinem Zahn,
erschießt ihn, statt ihm Zeit zu lassen,
zum Zehen-anten zu verblassen.
O >Klub zum Schutz der wilden Tiere<,
hilf, daß der Mensch nicht ruiniere
die Sprossen dieser Riesenleiter,
die stets noch weiter führt und weiter!
Wie dankbar wird der Ant dir sei,
läßt du ihn wachsen und gedeihn, -
bis er dereinst im Nebel hinten
als Nulel-ant wird stumm verschwinden.
Das hinterindische Stachelschwein
(hystrix grotei Gray),
das hinterindische Stachelschwein
aus Siam, das tut weh.
Entdeckst du wo im Walde drauß
bei Siam seine Spur,
dann tritt es manchmal, sagt man, aus
den Schranken der Natur.
Dann gibt sein Zorn ihm so Gewalt,
daß, eh du dich versiehst,
es seine Stacheln jung und alt
auf deinen Leib verschießt.
Von oben bis hinab sodann
stehst du gespickt am Baum,
ein heiliger Sebastian,
und traust den Augen kaum.
Die Hystrix aber geht hinweg,
an Leib und Seele wüst.
Sie sitzt im Dschungel im Versteck
und büßt.
Zu einem seltsamen Versuch
erstand ich mir ein Nadelbuch.
Und zu dem Buch ein altes zwar,
doch äußerst kühnes Dromedar.
Ein Reicher auch daneben stand,
zween Säcke Gold in jeder Hand.
Der Reiche ging alsdann herfür
und klopfte an die Himmelstür.
Drauf Petrus sprach:>Geschrieben steht,
daß ein Kamel weit eher geht
durchs Nadelöhr als Du, du Heid,
durch diese Türe groß und breit!<
Ich, glaubend fest an Gottes Wort,
ermunterte das Tier sofort,
ihm zeigend hinterm Nadelöhr
ein Zuckerhörnchen als Douceur.
Und in der Tat! Das Vieh ging durch,
obzwar sich quetschend wie ein Lurch!
Der Reiche aber sah ganz stier
und sagte nichts als: Wehe mir!
Die Ameisen oder Emsen
sind so weit jetzt, daß sie Gemsen
sich als Sklaven halten (aus
Gründen ihres Körperbaus).
Da sie selber sehr viel kleiner,
so bedienen sie sich einer
Gemse oder zweier Gemsen
zu Gebirgspartien, die Emsen.
Ist sodann ein Adlernest
abgesucht bis auf den Rest,
gehn sie endlich, zog der Weih
schon den Ameisbären bei,
wieder ihm aus Horst und Rock -
und besteigen ihren Bock,
der sie, wie ein Stein, der springt,
heim zu ihrem Hügel bringt.
Angepflöckt, so stehn die Gemsen
in der Nähe dort der Emsen,
bei den Läusen u.s.w.
und verwünschen ihre Reiter.
Es läutet beim Professor Stein.
Die Köchin rupft die Hühner.
Die Minna geht: Wer kann das sein? -
Ein Gaul steht vor der Türe.
Die Minna wirft die Türe zu.
Die Köchin kommt:Was gibt's denn?
Das Fräulein kommt im Morgenschuh.
Es kommt die ganze Familie.
>Ich bin, verzeihn Sie<, spricht der Gaul,
>der Gaul vom Tischler Bartels.
Ich brachte Ihnen dazumaul
die Tür- und Fensterrahmen!<
Die vierzehn Leute samt dem Mops,
sie stehn, als ob sie träumen.
Das kleinste Kind tut einen Hops,
die andern stehn wie Bäume.
Der Gaul, da keiner ihn versteht,
schnalzt bloß mal mit der Zunge,
dann kehrt er still sich ab und geht
die Treppe wieder hinunter.
Die dreizehn schaun auf ihren Herrn,
ob er nicht sprechen möchte.
Das war, spricht der Professor Stein,
ein unerhörtes Erlebnis!..
Ein schwarzer Pudel, dessen Haar
des Abends noch wie Kohle war,
betrübte sich so höllenheiß,
weil seine Dame Flügel spielte,
trotzdem er heulte: daß (o Preis
dem Schmerz, der solchen Sieg erzielte!)
er beim Gekräh der Morgenhähne
aufstand als wie ein hoher Greis -
mit einer silberweißen Mähne.
In der Bahnhofhalle, nicht für es gebaut,
geht ein Huhn
hin und her...
Wo, wo ist der Herr Stationsvorsteh'r?
Wird dem Huhn
man nichts tun?
Hoffen wir es! Sagen wir es laut:
daß ihm unsre Sympathie gehört,
selbst an dieser Stätte, wo es - >stört<!
Die Möwen sehen alle aus,
als ob sie Emma hießen.
Sie tragen einen weißen Flaus
und sind mit Schrot zu schießen.
Ich schieße keine Möwe tot,
ich lass' sie lieber leben -
und füttre sie mit Roggenbrot
und rötlichen Zibeben.
O Mensch, du wirst nie nebenbei
der Möwe Flug erreichen.
Wofern du Emma heißest, sei
zufrieden, ihr zu gleichen.
Ein Igel saß auf einem Stein
und blies auf einem Stachel sein.
Schalmeiala, schalmeialü!
Da kam sein Feinslieb Agel
und tat ihm schnigel schnagel
zu seinen Melodein.
Schnigel schnagula
schnaguleia lü!
Das Tier verblies sein Flötenhemd...
>Wie siehst Du aus so furchtbar fremd!?<
Schalmeiala, schalmeialü -.
Feins Agel ging zum Nachbar, ach!
Den Igel aber hat der Bach
zum Weiher fortgeschwemmt.
Wigula wagula
waguleia wü
tü tü..
Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn:>Bitte, beuge mich!<
Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:
>Der Werwolf< - sprach der gute Mann,
>des Weswolfs, Genitiv sodann,
dem Wemwolf, Dativ, wie man's nennt,
den Wenwolf - damit hat's ein End'.<
Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
Indessen, bat er, füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!
Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, daß er von ihr nichts wußte,
Zwar Wölfe gäb's in großer Schar,
doch >Wer< gäb's nur im Singular.
Der Wolf erhob sich tränenblind -
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.
Es lacht die Nachtalp-Henne,
es weint die Windhorn-Gans,
es bläst der schwarze Senne
zum Tanz.
Ein Uhu-Tauber turtelt
nach seiner Uhuin.
Ein kleiner Sechs-Elf hurtelt
von Busch zu Busch dahin..
Und Wiedergänger gehen,
und Raben rufen kolk,
und aus den Teichen sehen
die Fingur und ihr Volk...
Ein Rabe saß auf einem Meilenstein
und rief Ka-em-zwei-ein, Ka-em-zwei-ein..
Der Werhund lief vorbei, im Maul ein Bein,
der Rabe rief Ka-em-zwei-ein, zwei-ein.
Vorüber zottelte das Zapfenschwein,
der Rabe rief und rief Ka-em-zwei-ein.
>Er ist besessen!< - kam man überein.
>Man führe ihn hinweg von diesem Stein!<
Zwei Hasen brachten ihn zum Kräuterdachs.
Sein Hirn war ganz verstört und weich wie Wachs.
Noch sterbend rief er (denn er starb dort) sein
Ka-em-zwei-ein, Ka-em-Ka-em-zwei-ein.
Schlaf, Kindlein, schlaf,
am Himmel steht ein Schaf;
das Schaf, das ist aus Wasserdampf
und kämpft wie du den Lebenskampf.
Schlaf, Kindlein, schlaf.
Schlaf, Kindlein, schlaf,
die Sonne frißt das Schaf,
sie leckt es weg vom blauen Grund
mit langer Zunge wie ein Hund.
Schlaf, Kindlein, schlaf.
Schlaf, Kindlein, schlaf.
Nun ist es fort, das Schaf.
Es kommt der Mond und schilt sein Weib;
die läuft ihm weg, das Schaf im Leib.
Schlaf, Kindlein, schlaf.
Jaguar
Zebra
Nerz
Mandrill
Maikäfer
Ponny
Muli
Auerochs
Wespenbär
Locktauber
Robbenbär
Zehenbär.
Palmström steht an einem Teiche
und entfaltet groß ein rotes Taschentuch:
Auf dem Tuch ist eine Eiche
dargestellt, sowie ein Mensch mit einem Buch.
Palmström wagt nicht sich hineinzuschneuzen. -
Er gehört zu jenen Käuzen,
die oft unvermittelt-nackt
Ehrfurcht vor dem Schönen packt.
Zärtlich faltet er zusammen,
was er eben erst entbreitet.
Und kein Fühlender wird ihn verdammen,
weil er ungeschneuzt entschreitet.
Palmström ist nervös geworden;
darum schläft er jetzt nach Norden.
Denn nach Osten, Westen, Süden
schlafen, heißt das Herz ermüden.
(Wenn man nämlich in Europen
lebt, nicht südlich in den Tropen.)
Solches steht bei zwei Gelehrten,
die auch Dickens schon bekehrten -
und erklärten sich aus dem steten
Magnetismus des Planeten.
Palmström also hielt sich örtlich,
nimmt sein Bett und stellt es nördlich.
Und im Traum, in einigen Fällen,
hört er den Polarfuchs bellen.
Als er dies v. Korf erzählt,
fühlt sich dieser leicht gequält;
denn für ihn ist Selbstverstehung,
daß man mit der Erdumdrehung
schlafen müsse, mit den Pfosten
seines Körpers strikt nach Osten.
Und so scherzt er kaustisch-köstlich:
Nein, mein Diwan bleibt - westöstlich!
Korf, den Ahnung leicht erschreckt,
sieht den Himmel schon bedeckt
von Ballonen jeder Größe
und verfertigt ganze Stöße
von Entwürfen zu Statuten
eines Klubs zur resoluten
Wahrung der gedachten Zone
vor der Willkür der Ballone.
Doch er ahnt schon, ach, beim Schreiben
seinen Klub im Rückstand bleiben:
dämmrig, dünkt ihm, wird die Luft
und die Landschaft Grab und Gruft.
Er begibt sich drum der Feder,
steckt das Licht an (wie dann jeder),
tritt damit bei Palmström ein,
und so sitzen sie zu zwein.
Endlich, nach vier langen Stunden,
ist der Albdruck überwunden.
Palmström bricht zuerst den Bann:
Korf, so spricht er, sei ein Mann!
Du vergreifst dich im Jahrzehnt:
Noch wird all das erst ersehnt,
was, vom Geist dir vorgegaukelt,
heut' dein Haupt schon überschaukelt.
Korf entrafft sich dem Gesicht.
Niemand fliegt im goldnen Licht!
Er verlöscht die Kerze schweigend.
Doch dann, auf die Sonne zeigend,
spricht er: Wenn nicht jetzt, so einst -
kommt es, daß du nicht mehr scheinst,
wenigstens nicht uns, den - grausend
sag ich's -: unteren Zehntausend!...
Wieder sitzt v. Korf danach
stumm in seinem Schreibgemach
und entwirft Statuten eines
Klubs zum Schutz des Sonnenscheines.
Palmström kann nicht ohne Post
leben:
Sie ist seiner Tage Kost.
Täglich dreimal ist er ganz
Spannung.
Täglich ist's der gleiche Tanz:
Selten kört er einen Brief
plumpen
in den Kasten breit und tief.
Düster schilt er auf den Mann,
welcher,
wie man weiß, nichts dafür kann.
Endlich kommt er drauf zurück,
auf das:
>Warenhaus für Kleines Glück<.
Und bestellt dort, frisch vom Rost
(quasi):
ein Quartal - >Gemischte Post<!
Und nun kommt von früh bis spät
Post von
aller Art und Qualität.
Jedermann teilt sich ihm mit,
brieflich,
denkt an ihn auf Schritt und Tritt.
Palmström sieht sich in die Welt
plötzlich
überall hineingestell...
Und ihm wird schon wirr und weh..
Doch es
ist ja nur das ->W.K.G.<
Korf und Palmström nehmen Lektionen,
um das Wetter-Wendische zu lernen.
Täglich pilgern sie zu den modernen
Ollendorffschen Sprachlehrgrammophonen.
Dort lassen sie mit vielen andern,
welche gleichfalls steile Charaktere,
(gleich als ob's ein Ziel für Edle wäre),
sich im Wetter-Wendischen bewandern.
Dies Idiom behebt den Geist der Schwere,
macht sie unstet, launisch und cholerisch...
Doch die Sache bleibt nur peripherisch.
Und sie werden wieder - Charaktere.
So beschließen beide denn
nach so manchem Doch und Wenn
sich mit ihren Theorien
vor die Wissenschaft zu knien.
Doch die Wissenschaft, man weiß es,
achtet nicht des Laienfleißes.
Hier auch schürzt sie nur den Mund,
murmelt von >Phantasmen< und
beugt sich wieder dann auf ihre
wichtigen Spezialpapiere.
Komm, spricht Palmström, Kamerad, -
alles Feinste bleibt - privat!
Korf erfindet eine Uhr,
die mit zwei Paar Zeigern kreist,
und damit nach vorn nicht nur,
sondern auch nach rückwärts weist.
Zeigt sie zwei, - somit auch zehn;
zeigt sie drei,- somit auch neun;
und man braucht nur hinzusehn,
um die Zeit nicht mehr zu scheun.
Denn auf dieser Uhr von Korfen,
mit dem janushaften Lauf,
(dazu ward sie so entworfen):
hebt die Zeit sich selber auf.
Palmströms Uhr ist andrer Art,
reagiert mimosisch zart.
Wer sie bittet, wird empfangen.
Oft schon ist sie so gegangen,
wie man herzlich sie gebeten,
ist zurück- und vorgetreten,
eine Stunde, zwei, drei Stunden,
jenachdem sie mitempfunden.
Selbst als Uhr, mit ihren Zeiten,
will sie nicht Prinzipien reiten:
Zwar ein Werk, wie allerwärts,
doch zugleich ein Werk - mit Herz.
Korfs Geruchsinn ist enorm.
Doch der Nebenwelt gebricht's! -
und ihr Wort: Wir richen nichts,
bringt ihn oft aus aller Form.
Und er schreibt wie Stendhal Beyle
stumm in sein Notizbuch ein:
Einst, nach überlanger Weile,
werde ich verstanden sein.
Palmström hat nicht Speck im Haus,
dahingegen eine Maus.
Korf, bewegt von seinem Jammer,
baut ihm eine Gitterkammer.
Und mit einer Geige fein
setzt er seinen Freund hinein.
Nacht ist's und die Sterne funkeln.
Palmström musiziert im Dunkeln.
Und derweil er konzertiert,
kommt die Maus hereinspaziert.
Hinter ihr, geheimer Weise,
fällt die Pforte leicht und leise.
Vor ihr sinkt in Schlaf alsbald
Palmströms schweigende Gestalt.
II
Morgens kommt v. Korf und lädt
das so nützliche Gerät
In den nächsten, sozusagen
mittelgroßen Möbelwagen,
den ein starkes Roß beschwingt
nach der fernen Waldung bringt,
wo in tiefer Einsamkeit
er das seltne Paar befreit.
Erst spaziert die Maus heraus,
und dann Palmström, nach der Maus.
Froh genießt das Tier der neuen
Heimat, ohne sich zu scheuen.
Während Palmström, glückverklärt,
mit v. Korf nach Hause fährt.
Korf ist fassungslos und er entflieht,
wenn er nur Europens Bücher sieht.
Er versteht es nicht, wie man
zentnerschwere Bände leiden kann.
Und ihm graut, wie man dadurch den Geist
gleichsam in ein Grab von Stoff verweist.
Doch der Europäer ruht erst dann,
wenn er ihn in Bretter >binden< kann.
Korf - man kennt ihn wohl genügend -
Koft begibt sich nach Berlin,
einem Zug der Zeit sich fügend.
In Berlin empfängt man ihn...
Zwar erblickt man ihn nicht leiblich,
denn wie ja schon dargeziehn,
Ist er weder männ- noch weiblich,
sondern schlechterdings ein Geist,
dessen Nichtsehn unausbleiblich.
Korf liest gerne schnell und viel;
darum widert ihn das Spiel
all des zwölfmal unerbetnen
Ausgewalzten, Breitgetretnen.
Meistens ist in sechs bis acht
Wörtern völlig abgemacht,
und in ebensoviel Sätzen
läßt sich Bandwurmweisheit schwätzen.
Es erfindet drum sein Geist
etwas, was ihn dem entreißt:
Brillen, deren Energien
Ihm den Text - zusammenziehen!
Beispielsweise dies Gedicht
läse, so bebrillt, man - nicht!
Dreiunddreißig seinesgleichen
gäben erst - Ein - - Fragezeichen!!
Korf erfindet eine Mittagszeitung,
welche, wenn man sie gelesen hat,
ist man satt.
Ganz ohne Zubereitung
irgendeiner andern Speise.
Jeder auch nur etwas Weise
hält das Blatt.
Korf erfindet eine Art von Witzen,
die erst viele Stunden später wirken.
Jeder hört sie an mit langer Weile.
Doch als hätt' ein Zunder still geglommen,
wird man nachts im Bette plötzlich munter,
selig lächelnd wie ein satter Säugling.
Palmström, etwas schon an Jahren,
wird an einer Straßenbeuge
und von einem Kraftfahrzeuge
überfahren.
>Wie war< (spricht er, sich erhebend
und entschlossen weiterlebend)
>möglich, wie dies Unglück, ja-:
daß es überhaupt geschah?
Ist die Staatskunst anzuklagen
in Bezug auf Kraftfahrwagen?
Gab die Polizeivorschrift
hier dem Fahrer freie Trift?
Oder war vielmehr verboten,
hier Lebendige zu Toten
umzuwandeln, - kurz und schlicht:
Durfte hier der Kutscher nicht -?<
Eingehüllt in feuchte Tücher,
prüft er die Gesetzesbücher
und ist alsobald im klaren:
Wagen durften dort nicht fahren!
Und er kommt zu dem Ergebnis:
Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil, so schließt er messerscharf,
nicht sein kann, was nicht sein darf.
Korf erhält vom Polizeibüro
ein geharnischt Formular,
wer er sei und wie und wo.
Welchen Orts er bis anheute war,
welchen Stands und überhaupt,
wo geboren, Tag und Jahr.
Ob ihm überhaupt erlaubt,
hier zu leben und zu welchem Zweck,
wieviel Geld er hat und was er glaubt.
Umgekehrten Falls man ihn vom Fleck
in Arrest verführen würde, und
drunter steht: Borowsky, Heck.
Korf erwidert darauf kurz und rund:
>Einer hohen Direktion
stellt sich, laut persönlichem Befund,
untig angefertigte Person
als nichtexistent im Eigen-Sinn
bürgerlicher Konvention
vor und aus und zeichnet, wennschonhin
mitbedauernd nebigen Betreff,
Korf. (An die Bezirksbehörde in -).<
Staunend liest's der anbetroffne Chef.
Palmström führt ein Polizeipferd vor.
Dieses wackelt mehrmals mit dem Ohr
und berechnet den ertappten Tropf
logarhytmisch und auf Spitz und Knopf.
Niemand wagt von nun an einen Streich:
denn der Gaul berechnet ihn sogleich.
Offensichtlich wächst im ganzen Land
menschliche Gesittung und Verstand.
Palmström lobt das schlechte Wetter sehr,
denn dann ist auf Erden viel mehr Ruhe;
ganz von selbst beschränkt sich das Getue
und der Mensch geht würdiger einher.
Schon allein des Schirmes kleiner Himmel
wirkt symbolisch auf des Menschen Kern,
denn der wirkliche ist dem Gewimmel,
ach nicht ihm nur, leider noch sehr fern.
Durch die Gassen oder im Gefilde
wandert Palmström, wenn die Wolke fällt,
und erfreut sich an dem Menschenbilde,
das sich kosmo-logischer verhält.
Korf und Palmström geben je ein Fest.
Dieser lädt die ganze Welt zu Gaste:
Doch allein zum Zwecke, daß sie - faste!
einen Tag lang sich mit nichts belaste!
und ein - Antihungersnotfonds ist der Rest.
Korf hingegen wandert zu den Armen,
zu den Krüppeln und den leider Schlimmen
und versucht sie alle so zu stimmen,
daß sie einen Tag lang nicht ergrimmen,
daß in ihnen anhebt aufzuglimmen
ein jedweden >Feind< umfassendes - Erbarmen.
Beide lassen so die Menschen schenken,
statt genießen, und sie meinen: freuen
könnten Wesen (die nun einmal - denken)
sich allein an solchen gänzlich neuen Festen.
Palma Kunkel ist mit Palm verwandt,
doch im übrigen sonst nicht bekannt.
Und sie wünscht auch nicht bekannt zu sein,
lebt am liebsten ganz für sich allein.
über Muhme Palma Kunkel drum
bleibt auch der Chronist vollkommen stumm.
Nur wo selbst sie aus dem Dunkel tritt,
teilt er dies ihr Treten treulich mit.
Doch sie trat bis jetzt noch nicht ans Licht,
und sie will es auch in Zukunft nicht.
Schon, daß hier ihr Name lautbar ward,
widerspricht vollkommen ihrer Art.
Ein Anonymus aus Tibris
sendet Palman ein Exlibris.
Auf demselben sieht man nichts
als den weißen Schein des Lichts.
Nicht ein Strichlein ist vorhanden.
Palma fühlt sich warm verstanden.
Und sie klebt die Blättlein rein
allenthalben dankbar ein.
Palma Kunkels Papagei
spekuliert nicht auf Applaus;
niemals, was auch immer sei,
spricht er seine Wörter aus.
Deren Zahl ist ohne Zahl:
Denn er ist das klügste Tier,
das man je zum Kauf empfahl,
und der Zucht vollkommne Zier.
Doch indem er streng dich mißt,
scheint sein Zungenglied verdorrt.
Gleichviel, wer du immer bist,
er verrät dir nicht ein Wort.
>Ich bin zwar nur ein Droschkengaul, -
doch philosophisch regsam;
der Freß-Sack hängt mir kaum ums Maul,
so werd ich überlegsam.
Ich schwenk ihn her, ich schwenk ihn hin,
und bei dem trauten Schwenken
geht mir so manches durch den Sinn,
woran nur Weise denken.
Ich bin zwar nur ein Droschkengaul,-
doch sann ich oft voll Sorgen,
wie ich den Hafer brächt ins Maul,
der tief im Grund verborgen.
Ich schwenkte hoch, ich schwenkte tief,
bis mir die Ohren klangen.
Was dort in Nacht verschleiert schlief,
Ich konnt es nicht erlangen.
Ich bin zwar nur ein Droschkengaul,-
doch mag ich Trost nicht missen
und sage mir: So steht es faul
mit allem Erdenwissen;
es frißt im Weisheitsfuttersack
wohl jeglich Maul ein Weilchen,
doch nie erreichts - o Schabernack -
die letzten Bodenteilchen.<
Menschen stehn vor einem Haus,-
nein, nicht Menschen, - Bäume.
Menschen, folgert Otto draus,
sind drum nichts als - Träume.
Alles ist vielleicht nicht klar,
nichts vielleicht erklärlich
und somit, was ist, wird, war,
schlimmstenfalls entbehrlich.
Ein Hase sitzt auf einer Wiese,
des Glaubens, niemand sähe diese.
Doch, im Besitze eines Zeißes,
betrachtet voll gehaltnen Fleißes
vom vis-a-vis gelegnen Berg
ein Mensch den kleinen Löffelzwerg.
Ihn aber blickt hinwiederum
ein Gott von fern an, mild und stumm.
Aus ihrem Bette stürzt sie bleich
im langen Hemd und setzt sich gleich.
Die Zofe bringt ihr Rock und Schuh
und führt sie sanft dem Divan zu.
Todmüd in grauen Höhlen liegt
der Blick, den Fieber fast besiegt.
Ihr ganzer Leib ist wie verzehrt,
als hätt' in ihm gewühlt ein Schwert.
Der Arzt verkündet aller Welt,
sie sei nun wieder hergestellt.
Die Zofe kniet vor ihr und gibt
ihr von den Blumen, die sie liebt,
und schmückt sie zärtlich aus der Truhe:
Die wiederhergestellte Ruhe.
Das Einhorn lebt von Ort zu Ort
nur noch als Wirtshaus fort.
Man geht hinein zur Abendstund'
und sitzt den Stammtisch rund.
Wer weiß! Nach Jahr und Tag sind wir
auch ganz wie jenes Tier
Hotels nur noch, darin man speist -
(so völlig wurden wir zu Geist).
Im >Goldnen Menschen< sitzt man dann
und sagt sein Solo an...
Die Nähe ging verträumt umher..
Sei kam nie zu den Dingen selber.
Ihr Antlitz wurde gelb und gelber,
und ihren Leib ergriff die Zehr.
Doch eines Nachts, derweil sie schlief,
da trat wer an ihr Bette hin
und sprach:>Steh auf, mein Kind, ich bin
der kategorische Komparativ!
Ich werde dich zum Näher steigern,
ja, wenn du willst, zur Näherin!<-
Die Nähe, ohne sich zu weigern,
sie nahm auch dies als Schicksal hin.
Als Näherin jedoch vergaß
sie leider völlig, was sie wollte,
und nähte Putz und hieß Frau Nolte
und hielt all Obiges für Spaß.
Ein Rheinsalm schwamm den Rhein
bis in die Schweiz hinein.
Und sprang den Oberlauf
von Fall zu Fall hinauf.
Er war schon weißgottwo,
doch eines Tages - oh! -
da kam er an ein Wehr:
das maß zwölf Fuß und mehr!
Zehn Fuß - die sprang er gut!
Doch hier zerbrach sein Mut.
Drei Wochen stand der Salm
am Fuß der Wasser-Alm.
Und kehrte schließlich stumm
nach Deutsch- und Holland um.
Vor vielen Jahren sozusagen
hat folgendes sich zugetragen.
Drei Säue taten um ein Huhn
in einem Korb zusammen ruhn.
Das Huhn, wie manche Hühner sind
(im Sprichwort mindestens), war blind.
Die Säue waren schlechtweg Säue
von völliger Naturgetreue.
Dies Dreieck nahm ein Mann aufs Ziel,
vielleicht war's auch ein Weib, gleichviel.
Und trat heran und gab den Schweinen -
Ihr werdet: Runkelrüben meinen.
O nein, er warf - (er oder sie) -
warf - Perlen vor das schnöde Vieh.
Die Säue schlossen träg die Lieder...
Das Huhn indessen, still und bieder,
erhob sich ohne Hast und Zorn
und fraß die Perlen auf wie Korn.
Der Mensch entwich und sann auf Rache;
doch Gott im Himmel wog die Sache
der drei Parteien und entschied,
daß dieses Huhn im nächsten Glied
die Perlen außen tragen solle.
Auf welche Art die Erdenscholle -
das Perlschwein-? Nein! Das war verspielt!
das Perl-Huhn zum Geschenk erhielt.
Er war ein wunderlicher Tropf.
Er hatte außer seinem Kopf
noch einen zweiten Kopf, am Knie,
weshalb man ihn auch hieß: den Zwi.
Was Essen, Trinken, Liebe, Schlaf,
kurz, das Gewöhnliche betraf,
vertrug das Paar sich höchst bequem
nach alphabetischem System.
Mehr wert indessen war, wie es
des Denkens göttlichen Prozeß
zum allgemeinen Wohl der Welt
in der Erkenntnis Dienst gestellt.
Es gab sich nämlich klar und schlicht
von jeder Impression Bericht,
die er - und zwar vom selben Ding -
im respektiven Hirn empfing.
Z.B. las das Schädelpaar
ein Buch (im Doppelexemplar),
so fand sofort nach jedem Blatt
ein Dialog (nach Platon) statt.
Ein andermal geht unser Held
mit zwei Bananen über Feld,
bis er auf einem Meilenstein
hinsitzt mit überschlagnem Bein.
Er ißt, und kaum er ausgespeist,
interpretiert zweimal sein Geist
den Hunger, der so süß gestillt,
verdoppelnd des Genusses Bild.
Unglaublich und absonderlich!
Ein Körper, denkt euch, und zwei Ich!
Ein Mensch, der selbst sich duzt, ein Mann,
der Aug in Aug sich sitzen kann!!
Ein Stiefel wandern und sein Knecht
von Knickebühl gen Entenbrecht.
Urplötzlich auf dem Felde drauß
begehrt der Stiefel: Zieh mich aus!
Der Knecht drauf: Es ist nicht an Dem;
doch sagt mir, lieber Herre, -!: wem?
Dem Stiefel gibt es einen Ruck:
Fürwahr, beim heiligen Nepomuk,
ich GING GANZ in Gedanken hin...
Du weißt, daß ich ein andrer bin,
seitdem ich meinen Herrn verlor...
Der Knecht wirft beide Arm' empor,
als wollt er sagen: Laß doch, laß!
und weiter zieht das Paar fürbaß.
Im Inselwald >Zum stillen Kauz<,
da lebt der heilige Pardauz.
Du schweigst? Ist dir der Mund verklebt?
Du zweifelst, ob er wirklich lebt?
So sag ich's dir denn ungefragt:
Er lebt, auch wenn dir's mißbehagt.
Er lebt im Wald >Zum stillen Kauz<,
und schon sein Vater hieß Pardauz.
Du weißt nicht, was du ihm verdankst,-
doch daß du nicht schon längst ertrankst,
verbranntest oder und so weiter -
das dankst du diesem Blitzableiter
der teuflischen Gewitter. Ach,
die Welt ist rund, der Mensch ist schwach.
Ein Schnupfen hockt auf der Terrasse,
auf daß er sich ein Opfer fasse
- und stürzt alsbald mit großem Grimm
auf einen Menschen namens Schrimm.
Paul Schrimm erwidert prompt: Pitschü!
und hat ihn drauf bis Montag früh.
Klabautermann,
Klabauterfrau,
Klabauterkind
im Schiffe sind.
Die Küchenfei
erblickt die drei.
Sie schreit: O Graus,
das Stück ist aus!
Den Pudel Pax -
den Kaufmann Sachs -
sie alle frißt
der Meerschoßdachs.
Klabautermann,
Klabauterfrau,
Klabauterkind
wo anders sind.
>Mein lieber und vertrauter Mann,
entsetzlieber Klabautermann,
ich danke dir, für was du schreibst,
und daß du noch vier Wochen bleibst.
Die Marfa ist ein schönes Schiff,
vergiß nur nicht das Teufelsriff;
ich lebe hier ganz unnervos,
denn auf der Elbe ist nichts los.
Bei einem Irrlicht in der Näh
trink manchmal ich den Fünfuhr-Tee,
doch weil sie leider böhmisch spricht,
verstehen wir einander nicht.
1. 6. 04. Stadt Trautenau.
Deine getreue Klabauterfrau.<
Das Mondschaf sagt sich selbst gut Nacht,
d.h., es wurde überdacht
von seinem eigenen Denker:
Der übergibt dies alles sich
mit einem kurzen Federstrich
als seinem eigenen Henker.
Einige weiterführende Links zu Christian Morgenstern:
Christian Morgenstern beim Projekt Gutenberg - Deutschland
ebendort, Einleitung zu den Galgenliedern
Zusammengestellt von Georg Mittenecker, 1995-1999